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Eine Hauptaufgabe in Brüssel sieht ZAEU- und ABDA VIzepräsident Mathias Arnold in der Zusammenführung länderübergreifender Interessen und Kompetenzen der Apotheken auf europäischer Ebene unter Wahrung der Subsidiarität.
Europäische Gesundheitspolitik: Was Apotheker wirklich darüber denken
Was sind die wichtigsten Anliegen der Apotheker in Brüssel? Wo liegen die Chancen und Risiken durch die Digitalisierung? Welche Länder in Europa sind Vorbild in Punkto Impfen? Und wie kann die Arzneimittelproduktion in Europa gestärkt werden? Einen Einblick in diese Thematiken auf Europaebene gibt ZAEU- und ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold.
Reed Exhibitions Österreich: Was sind für Sie die wichtigsten Anliegen/ Interessen des Berufsstandes der Apotheker gegenüber Kommission, Parlament und Ministerrat in Brüssel?
Mathias Arnold: In Europa gibt es eine große Vielfalt an öffentlichen Apotheken. Jede Apotheke sieht ein bisschen anders aus – ob in Bulgarien, Finnland oder Portugal. Diese Vielfalt der Apotheken vor Ort gilt es zu erhalten und zu stärken – und das müssen wir den Politikern und Beamten in Brüssel immer wieder erklären und beweisen. Die Gesundheitspolitik hat seit Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr eine vollkommen neue und viel größere Bedeutung auf europäischer Ebene gewonnen. Wie unter einem Brennglas zeigt sich die Stärke der Apotheken vor Ort, die immer nach der besten Versorgungslösung im lokalen Umfeld suchen. Ein dezentrales Netzwerk von inhabergeführten Apotheken mit entsprechenden heilberuflichen und wirtschaftlichen Freiheiten bietet die beste Resilienz in solchen Krisen. Das haben wir bewiesen und das müssen wir auch in den politischen Entscheidungen verankern.
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"Die Gesundheitspolitik hat seit Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr eine vollkommen neue und viel größere Bedeutung auf europäischer Ebene gewonnen. Wie unter einem Brennglas zeigt sich die Stärke der Apotheken vor Ort", meint ZAEU- und ABDA VIzepräsident Mathias Arnold.
Wo sehen Sie Ihre Hauptaufgaben in der einjährigen Amtsperiode als Vizepräsident?
Mathias Arnold: Zunächst einmal: Mein französischer Kollege Alain Delgutte und ich haben uns als Team für die Führungsspitze des Verbandes beworben, er als Präsident und ich als Vize. Wir wollen gemeinsam Dinge vorantreiben, Themen setzen, Lösungen suchen, Verbesserungen erreichen. Bei aller Vielfalt der einzelnen Themen muss es dabei unser Anspruch sein, länderübergreifende Interessen und Kompetenzen der Apotheken auf europäischer Ebene zusammenführen. Aber bitte nicht falsch verstehen: Die Subsidiarität ist gerade im Gesundheitswesen ein elementares Prinzip. Nationale Entscheidungskompetenz sollte gerade hier nicht reflexhaft den europäischen Binnenmarktprinzipien untergeordnet werden.
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Arnold geht davon aus, dass das E-Rezept irgendwann überall in Europa eingeführt und umgesetzt wird.
Manche Länder, wie Portugal oder Estland, bieten das E-Rezept an, sollte dies in allen Ländern der europäischen Union möglich sein?
Mathias Arnold: In der Tat ist die Digitalisierung ein großes und zukunftsweisendes Thema für ganz Europa. Das merke ich auch gerade ganz akut in Deutschland, wo um die flächendeckende Einführung des E-Rezepts in den nächsten Monaten gerungen wird. Manche Länder wie Portugal oder Estland sind tatsächlich schon weiter als andere Länder. Klar ist, dass das E-Rezept irgendwann überall in Europa eingeführt und umgesetzt wird – dazu ist einfach der Zeitgeist zu stark. Der größte Nutzen, aber eventuell auch die größten Risiken, liegen in der Nutzung der Verordnungsdaten, um daraus Erkenntnisse über optimale Behandlungsläufe und Versorgungsregimes zu ermitteln. Big Data ist hier das entscheidende Werkzeug. Der europäische Gesundheitsdatenraum soll hier ein wesentliches Element sein. Er muss gemeinsam im Interesse der Patienten gestaltet werden. Grundsätzlich sollte immer gelten: Was analog verboten ist, darf nicht plötzlich digital erlaubt sein – und umgekehrt. Digitalisierung kann nur Mittel zum Zweck sein, damit öffentliche Apotheken ihre Patienten besser versorgen können.
In manchen europäischen Ländern kann man sich in der Apotheke impfen lassen, in manchen nicht. Setzen Sie sich für eine Gleichstellung ein?
Mathias Arnold: Zurzeit geht es ja meist nur um die Grippeschutzimpfung, aber auch da gibt es durchaus große Unterschiede. Die rechtlichen Regelungen und die flächendeckende Verfügbarkeit der Impfung unterscheiden sich stark von Land zu Land. Grundsätzlich können unter entsprechenden Randbedingungen wie Schulungen sowie personellen und räumlichen Voraussetzungen die Impfungen auch in Apotheken sicher und patientenfreundlich durchgeführt werden. Die länderspezifischen Gründe sind oft unterschiedlich, meist geht es aber um die Erhöhung der Durchimpfungsrate durch eine Verbreiterung des Angebotes an die Patienten. Auch in einigen Regionen in Deutschland ist die Durchimpfungsrate der Bevölkerung zu gering. Hier wollen wir seit vorigem Jahr in einigen Modellregionen das Impfen gegen Influenza austesten. Länder wie Frankreich, Dänemark oder Irland mit Impferfahrungen und –erfolgen in Apotheken können wertvolle Hinweise an die anderen Länder weitergeben. Ich glaube, nirgendwo wollen die Apotheker den Ärzten ihr Fachgebiet streitig machen, sondern im Bedarfsfall nur die Versorgung der Menschen verbessern helfen.
Die ABDA hat sich mehrfach in der Stellungnahme zur Europäischen Arzneimittelstrategie dazu ausgesprochen, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion wieder verstärkt in Europa erfolgt. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge? Haben Sie bereits Fortschritte erzielt?
Mathias Arnold: Zunächst einmal haben wir die deutsche Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 genutzt, um Lieferengpässe bei Arzneimitteln und Lösungsansätze für dieses Problem noch stärker auf die Agenda in Brüssel zu setzen. Andere deutsche Verbände haben dies ebenfalls getan, so dass das Problembewusstsein sowohl in Brüssel als auch in Berlin und anderen Hauptstädten gestärkt worden sein dürfte. Die Europäische Arzneimittelstrategie wurde dagegen von der Europäischen Kommission vorangetrieben und Ende 2020 auch veröffentlicht. Wir hatten im Konsultationsprozess ausführlich unsere Positionen dargelegt, von denen man einige durchaus auch im Brüsseler Papier wiederfindet. Nun wird entscheidend sein, welche Punkte daraus auch tatsächlich umsetzbar sind. Apotheker haben jedenfalls ein großes Interesse daran, dass ihre Patienten angemessen versorgt werden.
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"Die Apotheken brauchen hier mehr regulatorische Beinfreiheit, damit Lieferengpässe nicht zu Versorgungsengpässen werden", so Arnold.
Am 1. Dezember fand die internationale Konferenz "Medicines shortages: Giving up? Finding solutions!" statt, in deren Mittelpunkt die Lieferengpässe bei Antibiotika in Europa stand. Zusammen mit Pharmaunternehmen, Aufsichtsbehörden und Europapolitikern wurde diskutiert, wie Brüssel die Arzneimittelproduktion in Europa künftig stärken kann. Wie lautet Ihr Ergebnis / Ihr Conclusio aus dieser Diskussion? Wird sich etwas verändern?
Mathias Arnold: Apotheker in ganz Europa haben seit langem vor Lieferengpässen gewarnt – wegen ihres eigenen zusätzlichen Arbeitsaufwands, aber vor allem wegen negativer Auswirkungen für die Patienten. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich dieses Problem noch verschärft – das war Ende vorigen Jahres jedenfalls allen Beteiligten klar. Grundsätzlich handelt es sich um ein multifaktorielles Problem, für das es nicht die eine Lösung geben kann. Die Frage der Arzneimittelproduktion ist ein wichtiger Teilaspekt und sollte deshalb in Europa gehalten oder – besser noch – zurückgeholt werden. Das wird weder Deutschland, noch den Apothekern als Heilberuf allein gelingen. Es ist eine europäische Aufgabe. Aber man kann auch auf nationaler Ebene an kleinen regulatorischen Schräubchen drehen. Die Erfassung von Lieferengpässen, verbesserte Möglichkeiten für die Substitution von Arzneimitteln im Fall der Nichtlieferbarkeit oder eine flexiblere Gestaltung von Krankenkassen-Rabattverträgen in Deutschland sind einige Beispiele. Die Apotheken brauchen hier mehr regulatorische Beinfreiheit, damit Lieferengpässe nicht zu Versorgungsengpässen werden. Kurzum: Die Konferenz hat Impulse nach Brüssel gegeben, aber auch an die eigene Regierung.
Vielen Dank für das Interview! Das Interview führte Kathrin Kremser, Content Managerin
Wer ist Mathias Arnold?
Der deutsche Apotheker Mathias Arnold übernimmt im Jahr 2021 das Amt des Vizepräsidenten im Zusammenschluss der Apotheker in der Europäischen Union (ZAEU, engl. PGEU, frz. GPUE). Der 56-jährige Pharmazeut aus Halle/Saale ist auch Vizepräsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und Leiter der Europadelegation der ABDA. Der europäische Apothekerverband ZAEU vertritt in Brüssel die Interessen von mehr als 400.000 Apothekern aus mehr als 30 europäischen Ländern.